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Achtung, es brennt! Was bei einem feuerfesten Gehäuse nach IEC 60601-1 zu beachten ist.

Die IEC EN DIN 60601-1 befasst sich in Abschnitt 13.1 mit elektrischen Ersten Fehlern, die zu einer unvertretbaren Gefährdung führen.

Bei zu hohen Temperaturen des ME-Gerätes, die infolgedessen zu einem Brand führen können, beschreibt die Norm mehrere Alternativen, die diesen Ersten Fehler abwenden. Eine Möglichkeit ist ein feuerfestes Gehäuse nach Abschnitt 11.3. Für den Fall eines Brandes ist dieses so robust zu konstruieren, dass eine Beschädigung bis hin zur völligen Zerstörung durch vorhersehbaren Missbrauch nicht eintritt. Doch was bedeutet das überhaupt?  Was ist von den Herstellern bei einem feuerfesten Gehäuse zu berücksichtigen?

Darf es im Gehäuse brennen?

Die IEC 60601-1 verbietet Brände im ME-Gerät nicht grundsätzlich. Mit der IEC 60601-1 soll sichergestellt werden, dass vom ME-Gerät selbst keine Brandgefahr ausgeht, also das Produkt nicht der Verursacher eines Brandes ist. Nicht geregelt über die Norm ist das Verhalten des ME- Gerätes  bei extern verursachten Bränden.

Mit Sauerstoff angereicherte Umgebungen sind gesondert zu betrachten und werden hier nicht mit einbezogen, da es für diesen Fall andere Normanforderungen nach Abschnitt 11.2.2 gibt.

Sofern es im ME-Gerät zu einem Brand kommt, dürfen keine Flammen und geschmolzenes Metall austreten. Des Weiteren dürfen keine gefährdenden Mengen an  giftigen oder brennbaren Stoffen aus dem Gehäuse austreten. Die Grenzwerte legt der Hersteller in der Risikomanagement-Akte fest. Ist das Risiko für den Patienten, Anwender oder Dritte zu hoch,  sieht die Norm folgende zwei Möglichkeiten vor:

  1. Es entsteht keine Gefährdungssituation bei allen anzuwendenden Ersten Fehlern nach Abschnitt 13.2. Es wird kein feuerfestes Gehäuse benötigt.
  2. Das Gehäuse erfüllt die Anforderungen nach Abschnitt 11.3.

Was gehört alles zum feuerfesten Gehäuse?

Bei der Feuerfestigkeit konzentrieren sich der Hersteller oftmals lediglich auf das Gehäuse des Produktes. Im Grunde benötigen aber alle elektrischen Bauteile, die potenziell zu einem Brand führen, Schutzmaßnahmen gegen die Brandausbreitung. Die Umsetzung umfasst also alle Bauteile von netzspannungsführenden Kabeln bis hin zu Motoren. Die IEC 60601-1 legt ihren Fokus innerhalb des feuerfesten Gehäuses auf isolierte Leiter, Steckverbindungen, Leiterplatinen und Isoliermaterial, auf dem Bauteile montiert sind.

Für das Gehäuse selbst werden konstruktive Anforderungen an Öffnungen und das Material gestellt. Doch auch alle potenziell brandauslösenden Bauteile sollten aus feuerfesten Materialien angefertigt sein.

Welche Materialien gelten nach IEC 60601-1 als feuerfest?

Die Normkonformität für feuerfestes Material ist am einfachsten durch einen Nachweis  zu erreichen. Isolationsmaterialien sollten ein Zertifikat, Prüfbericht oder dergleichen auf Basis der Norm IEC 60695-11-10 haben. Wenn dies nicht der Fall ist, sind V-1 oder V-2 Prüfung durchzuführen. Diese Prüfung bestimmt die Entflammbarkeitsklassifizierungen des Materials.

Die 60601-1 Ed. 3.2 erweitert die Anforderung für isolierende Leiter und Steckverbindungen. Neben der jeweiligen Entflammbarkeitsklassifizierung dürfen auch Materialien wie PVC, TFE, PTFE, FEP, Polychloropren oder Polyimid als Isolation dienen und benötigen keine weitere Prüfung.

Beim Gehäuse herrscht für die Materialauswahl mehr Freiheit. Jedes Metall, außer Magnesium, gilt als feuerfest. Nichtmetallische Materialien sind auch zulässig, unterliegen den oben genannten Anforderungen. Doch hier sind auch Abstufungen gegeben. Wenn das ME-Gerät ortsveränderlich ist, muss es eine Entflammbarkeitsklasse von mindesten V-2 einhalten. Bei fest aufgestellten oder ortsfesten ME-Geräten gilt mindestens V-1.

V-2 V-1? Was ist das genau?

Die Norm IEC 60695-11-10 beschreibt Prüfungen zur Beurteilung von Brandgefahren. Dazu zählt zum Beispiel die „Vertikale Flammen Prüfung“. Das „V“ bei den Klassifizierungen V-2, V-1 und V-0 steht für vertikal. Je kleiner die Zahl, desto geringer ist die Entflammbarkeit.

Insgesamt bestimmen fünf Hauptaspekte die Klassifizierung:

  1. Wie lange brennt das Material, nach Entfernen der Flamme?
  2. Wie lange ist die Gesamtbrenndauer von allen fünf Proben?
  3. Wie weit/hoch brennt das Material?
  4. Tropfen brennende Partikel auf die Baumwolle und entzündet sich diese?
  5. Wie lange dauert die glühende Verbrennung?

Muss das Gehäuse komplett verschlossen sein?

Ein komplett verschlossenes Gehäuse vereinfacht die Prüfung, ist von der Norm aber nicht als einzige Möglichkeit vorgesehen. Im Fall eines leistungsstarken Prozessors, der viel Wärme erzeugt, braucht das Gehäuse Lüftungsschlitze. An Boden und Seiten des Gehäuses stellt die IEC 60601-1 besondere Anforderungen. Der Deckel des Gehäuses muss ebenfalls beachtet und entsprechend der Norm ausgelegt sein, um einen Austritt von Flammen zu verhindern, denn gefährdende Mengen an Flammen dürfen aus dem feuerfesten Gehäuse nicht austreten. Die folgende Tabelle umfasst alle Anforderungen an das Gehäuse mit Bezug auf die Unterschiede nach IEC 60601-1 Ed. 3.1 und Ed. 3.2. In der folgenden Tabelle sind in einer Kurzübersicht die Anforderungen an das Gehäuse aus der Norm aufgelistet. Diese verweist auf Abbildungen und Tabellen aus der IEC 60601.

Neben den Anforderungen an das Gehäuse sollte der Hersteller sich die Frage stellen, welche Bauteile nicht potenziell zu einem Brand führen und ob eine Auslagerung davon möglich wäre. Solche Bauteile benötigen keinen Brandschutz. Die IEC 60695-1-10 stellt einen Leitfaden zur Einschätzung der Brandgefährdungen dar. Entscheidet sich der ME-Gerätehersteller für diesen Weg, sollte eine Analyse stattfinden, in der die Barriere zwischen dem feuerfesten Gehäuse und den anderen Bauteilen überprüft wird. Nach IEC 60601-1 ist es inakzeptabel, wenn die Barriere unterdimensioniert ist und der Brand sich darüber ausbreitet.

Wo sind die Unterschiede zwischen IEC 60601-1 Ed. 3.1 und Ed. 3.2?

Der vorherige Abschnitt hat einen Einblick in die Unterschiede des Gehäuses nach den Editionen 3.1 und 3.2 der IEC 60601-1 gegeben. Der Hersteller erhält in der Ed. 3.2 mehr normkonforme Möglichkeiten zur Konstruktion der Gehäuseseiten. Doch auch bei den feuerfesten Materialien innerhalb des Gehäuses gibt es einige Unterschiede zwischen den beiden Editionen. Die folgende Entscheidungsmatrix verdeutlich dies.

Worauf sollte der ME-Gerätehersteller achten?

Der Hersteller hat an sich viele Möglichkeiten, wie mit dem Thema Brand und feuerfesten Gehäusen umzugehen ist. Es ist angeraten, am Anfang zu beurteilen, welche Bauteile potenziell zu einem Brand führen. Eventuell benötigt das ME-Gerät keine brandausbreitenden Sicherheitsmaßnahmen und das Gehäuse soll nur mechanische Anforderungen erfüllen. Außerdem stellt der Hersteller auf diese Weise in der Konstruktion fest, wo Brände möglicherweise im ME-Gerät entstehen und wo es sinnvoller ist, Öffnungen wie Lüftungsschlitze ins Gehäuse einzubauen. Auch wenn es sich nicht vermeiden lässt, eine Öffnung bei einer möglichen Brandquelle zu konstruieren, helfen überdeckte Öffnungen oder Lochungen die Feuerfestigkeit zu sichern. 

Die IEC 60601-1 Ed. 3.1 und Ed. 3.2 hat einige entscheidende Unterschiede zu diesem Thema. Die Ed. 3.2 ermöglicht dem Hersteller mehr Handlungsmöglichkeiten. Bei isolierenden Leitern und Steckverbindungen hat der Hersteller mehr Materialmöglichkeiten, die keinen  IEC 60695-11-10 Nachweis benötigen. Alle anderen Bauteile innerhalb des feuerfesten Gehäuses sollten ein IEC 60695-11-10 Nachweis besitzen.

Neben der Feuerfestigkeit des Gehäuses sind noch andere Anforderungen der IEC 60601‑1 zu erfüllen. Beispielsweise sollte das Gehäuse alle mechanischen Festigkeitsanforderungen nach Abschnitt 15.3 erfüllen. Das Nichtbestehen der Prüfungen könnte gefährdende Verformungen am Gehäuse des ME-Gerätes zur Folge haben und die Feuerfestigkeit wäre somit nicht mehr gegeben. Es gibt viele miteinander in Verbindung stehende oder sich bedingende Faktoren. Der ME-Gerätehersteller hat schlussendlich unterschiedliche Möglichkeiten mit diesem Thema umzugehen.

Sarah Kompch
Sarah Kompch
Prüfingenieur, Labor