PFAS. Per- und polyfluorierte Substanzen. Schon der Begriff ist schwer zu fassen, das Thema dahinter noch viel weniger. Als Ingenieur in der Entwicklung oder Produktion hat man nicht mit Substanzen zu tun, sondern mit Werkstoffen. Perfluoroctansulfonat (PFOS) oder das Ammoniumsalz der Perfluor-4,8-dioxa-3H-nonansäure sind etwas, was Chemiker verstehen, die bei den meisten Medizinherstellern aber weder im Kreise der Mitarbeiter noch im Bereich der Berater greifbar sind. Womit wir beim Problem sind.
Zum Thema PFAS wurde in letzter Zeit viel geschrieben. Es gibt ökologische Artikel, politische Aufsätze und (bio-)chemische. Eine persönliche Umfrage unter Chemikern, die bei den Großen der Branche angestellt sind, hat eine enorme Spannweite ergeben. Von „das Thema haben wir doch Anfang der 2000er Jahre abgefrühstückt – das ist alles gelöst“ bis zu „vielleicht kommt die Regulierung ja gar nicht“. Von den Chemikern ist also keine Hilfestellung zu erwarten.
Was kann das durchschnittliche mittelständische Unternehmen also tun?
Der Kern des Problems ist, zu identifizieren, ob in den Werkstoffen oder Prozessen, die für die Bauteile der eigenen Produkte notwendig sind, PFAS zur Anwendung kommen. Da die PFAS aufgrund ihrer Eigenschaften einen sehr breiten Anwendungsbereich haben, kann man die zu klärenden Bauteile nicht einschränken auf Kunststoffbauteile oder Metallteile oder Elektronik. Sie können überall enthalten sein oder angewendet werden.
Letztlich kann man sich als Hersteller auf die kommende Regulierung, die weder bezogen auf den Zeitpunkt noch auf den Umfang fix ist, nur bestmöglich vorbereiten:
- Schreiben Sie alle Lieferanten, von denen Sie Teile für die Produktion beziehen, an und bitten um eine Stellungnahme, ob in den Produkten selbst oder in der Herstellung PFAS eingesetzt werden. Schreiben Sie gleich dazu, dass die Adressaten sich gegebenenfalls (fast sicher) bei ihren Vorlieferanten erkundigen müssen und Sie daher eine großzügigere Frist für die Rückmeldung einräumen.
- Schicken Sie Erinnerungen raus, wenn Sie keine Rückmeldungen erhalten.
- Wiederholen Sie Schritt 1 und 2 so lange bis sie belastbare Informationen haben.
Natürlich wäre es möglich bei den kritischen Lieferanten / Bauteilen anzufangen, aber wenn ihnen am Ende ein einfaches Bauteil fehlt, bekommen sie ihre Produkte auch nicht fertig. Egal welches Bauteil am Ende PFAS belastet ist, es fehlt und das Produkt ist dann nicht fertigzustellen.
Digitalisierung unbedingt erforderlich
Sofern Ihnen diese Schritte sehr viel Arbeit verursachen, gibt es in Ihrem Unternehmen mit großer Wahrscheinlichkeit Defizite in der Digitalisierung. Das sollte dann auch gelöst werden. Im besten Falle werden die Rückmeldungen digital über einen Link auf ein Portal abgewickelt, das die Informationen rechtssicher verwahrt, kombiniert mit der Ablage in den Lieferanten-Stammdaten Ihres ERP-Systems. Zukünftig wären diese Informationen des Portals auch für z.B. REACH oder RoHS zu verwenden.
Eine Menge Aufwand, der aber durch Digitalisierung zu limitieren ist. Wir müssen für die Umwelt etwas tun, weil wir selbst „Umwelt“ sind. PatientInnen- und AnwenderInnenschutz kommen uns hier in anderer Gestalt entgegen.
Weitere Informationen zu PFAS, wo sie in der Medizintechnik zum Einsatz kommen oder auch zum Verbotsverfahren haben wir hier zusammengefasst: Drohendes PFAS-Verbot in der EU
Basis-Informationen finden Sie auf der Seite des Bundesministeriums für Umwelt:
https://www.bmuv.de/faqs/per-und-polyfluorierte-chemikalien-pfas
sowie der Environmental Protection Agency, der Umweltschutzbehörde der USA:
https://www.epa.gov/pfas/key-epa-actions-address-pfas